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„In Gutem Glauben” ist wie ein Theaterepos eingeteilt in drei Akte mit jeweils achtzehn Szenen, aufgeteilt in jeweils neun Aufzüge. In den Texten habe ich für jeden Akt ein anderes Thema gewählt, das mich in der zeitlichen Periode der Produktion der Serie beschäftigt hat. Der Text zu Akt eins hat die Überschrift „Weltweite Verstrickungen” und befragt Globalisierung. Der kriegerische Überfall Putin‘s auf die Ukraine, der im Juni 2023 schon seit 16 Monaten wütet, hat auch dazu geführt, dass sich die westlichen Staaten ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von Russland bewusst wurden. Um auf russische Gaslieferungen verzichten zu können, mussten die globalen wirtschaftlichen Vernetzungen, die wir uns geschaffen haben, hektisch abgebaut oder umgeleitet wurden. Wird damit auch das Verständnis für eine globale Welt als Einheit, dass auch abseits des neoliberalen bizarren Unwesens der Führungskräfte in Kapital und Industrie ganz langsam ins öffentliche Bewusstsein gedrungen ist, nun ganz rasch wieder ad acta gelegt? Trotz aller Kritik an einem rein wirtschaftlichen Globalismus, der Ausbeutung und Ungleichheit nicht nur in Kauf nimmt sondern auch forciert, war es mir immer wichtig, wenigstens den Versuch zu unternehmen, international oder sogar global zu denken. Eine respektvolle globale kulturelle und soziale Entwicklung unserer Gesellschaften ist nur dann möglich, wenn wir lernen, über den Rand der eigenen Nation hinaus mit Verantwortung zu agieren. „America First” ist sehr kurzsichtig und ignoriert, dass wir die großen - zerstörerischen - Probleme unserer Welt nur gemeinsam lösen können. Um mein kritisches Verständnis von Globalisierung zur erweitern habe ich ein paar Fragen an chat.openai gestellt. Dabei bin ich mir sehr wohl bewusst, dass der Wert, den textliche Information hat, die mit Hilfe von künstlicher Intelligenz erstellt wird, sehr eingeschränkt und niemals fehlerfrei, geschweige denn kreativ sein kann.
Im zweiten Akt befrage ich unter der Überschrift „Kuratorendämmerung” das Verhältnis zwischen Künstlern und Kuratoren. Die Entscheidung, die Leitung der documenta 15 an ein Künstlerkollektiv aus Jakarta zu übertragen, hat in mir große Erwartungen geschürt. Das habe ich mir doch schon immer gewünscht. Leider ist durch das Auftreten antisemitischer Bildelemente eine ganz andere Diskussion entstanden. Die ist wichtig, hat aber vollkommen die Möglichkeit der Kritik an der documenta 15 als kollektive Leistung verschüttet.
Auch das Thema des Dritten Akts, „Autokratienwachstum”, wurde durch den Putinschen Ukrainekrieg getriggert. Ein Autokrat / Diktator hat sich über alle mühsam international errungenen friedlichen Konventionen und über alle Menschlichkeit hinweg gesetzt und einen umfassenden Krieg angezettelt, dessen weltweites Ausmaß noch lange nicht völlig erkennbar ist. In den ersten Monaten habe ich mich immer wieder gefragt, wie China als weltweit größte Diktatur darauf reagieren würde. Nun ist klar, das sich Xi Jinping niemals offen gegen Putin positionieren wird. Es ist wichtiger, einen Verbündeten im Kampf gegen westliche Dominanz und die Attraktivität von Demokratien zu verhätscheln, als angesichts der weltwirtschaftlich verätzenden Folgen, das kriegerische Treiben zu verdammen. Warum macht es mir so Angst, dass der größere Teil der Weltbevölkerung autokratische Bequemlichkeit einer demokratischen Selbstverantwortung vorzieht? Autokraten und Diktatoren machen als erstes kurzen Prozess mit freier Presse und oppositionellem Andersdenken. Kunst und KünstlerInnen, die sich nicht so einfach gleichschalten lassen wollen, sind da eher im Weg. Trump hat damit Wählerstimmen geködert, dass er sogenannte Eliten für die Probleme der USA verantwortlich macht. Andere republikanische Präsidentschaftskandidaten, machen damit Wahlkampf, dass sie der Tendenz zur Wokeness, also einer Sensibilität für alltäglichen und systemischem Rassismus, sowie für soziale Gleichberechtigung aller Gesellschaftsgruppen, unterbinden wollen. In Diktaturen ist kein Platz für Kunst und KünstlerInnen, die sich erlauben, Ungewohntes erschaffen zu wollen. Trotzdem halten so viele Menschen Autokratien für die bessere Lösung, auch in Europa und an seinen Grenzen. Nach Erdogans knapper Wiederwahl in der Türkei am 14. Mai 2023 sind in Berlin und anderen Großstädten in Deutschland Autokorsos mit laut grölenden jungen Männern durch die Straßen gezogen. Sie fühlen Aufwind, für ihren Machismo, ihre Sucht nach vermeintlicher überzogener Männlichkeit, die ja eigentlch langsam mal aufs Abstellgleis gehört. Auch sie fühlen sich durch wokeness in ihrem Machtanspruch bedroht. „Autokratienwachstum” habe ich als KI-Gespräch angelegt.
Die Texte, die nur zusammen mit den Bildern in einer Publikation und in Auszügen auf der Webseite leben sollen, werden nicht ins Rampenlicht gezogen, wenn die Bilder in Ausstellungssituationen alleine gezeigt werden.
Das Buch „Verhaltensmuster" enthält die vollständigen Texte und ist im Shop erhältlich.
EN
"In Good Faith" is divided like a theatre epic into three acts, each consisting of eighteen scenes, divided into nine tableaus. For each act, I have chosen a different theme in the texts that occupied me during the time of the series' production. The text for Act One is titled "Global Entanglements" and examines globalisation. The aggression of Putin's invasion of Ukraine, which has been raging for 16 months as of June 2023, has also led Western countries to become aware of their economic dependence on Russia. To be able to do without Russian gas supplies, the global economic interconnections we have created had to be hastily dismantled or redirected. Does this mean that the understanding of a global world as a unity, which has slowly entered public consciousness beyond the neoliberal bizarre essence of leadership in capital and industry, will now be quickly disregarded? Despite all the criticism of a purely economic globalism that not only accepts but also perpetuates exploitation and inequality, it has always been important for me to at least attempt to think internationally or even globally. A respectful global cultural and social development of our societies is only possible if we learn to act responsibly beyond the boundaries of our own nation. "America First" is very shortsighted and ignores the fact that we can only solve the major - destructive - problems of our world together. To expand my critical understanding of globalisation, I asked a few questions to chat.openai. I am well aware that the value of textual information generated with the help of artificial intelligence is very limited and can never be flawless, let alone creative.
In the second act, under the title "Curatorial Twilight," I examine the relationship between artists and curators. The decision to entrust the leadership of documenta 15 to an artist collective from Jakarta has raised great expectations in me. That's what I've always wanted. Unfortunately, the emergence of anti-Semitic imagery has sparked a completely different discussion. While important, it has completely overshadowed the opportunity to criticise documenta 15 as a collective achievement.
The theme of the third act, "Rise of Autocracies," also was triggered by Putin's war in Ukraine. An autocrat/dictator has disregarded all hard-won international peaceful conventions and basic humanity, instigating a comprehensive war whose global extent is still far from fully recognised. In the early months, I kept wondering how China, as the world's largest dictatorship, would respond. Now it's clear that Xi Jinping will never openly oppose Putin. It's more important to coddle an ally in the fight against Western dominance and the appeal of democracies than to condemn the aggressive actions in the face of the globally devastating economic consequences. Why does it scare me so much that the majority of the world's population prefers autocratic comfort over democratic self-responsibility? Autocrats and dictators first eliminate a free press and oppositional thinking. Art and artists who refuse to be easily assimilated are more of an obstacle. Trump enticed voters by blaming so-called elites for America's problems. Other Republican presidential candidates currently campaign against the tendency toward "wokeness," which encompasses sensitivity to everyday and systemic racism, as well as social equality for all societal groups. There is no place for art and artists who dare to create the unfamiliar in dictatorships. Nevertheless, so many people believe that autocracies are the better solution, even in Europe and at its borders. After Erdogan's narrow reelection in Turkey on May 14, 2023, convoys of cars with loudly cheering young men paraded through the streets of Berlin and other major cities in Germany. They feel emboldened in their machismo and addiction to exaggerated masculinity, which should actually be phased out. They also feel threatened by wokeness in their quest for power. I have structured "Rise of Autocracies" as an AI conversation.
The texts are intended to coexist with the images in a publication and in excerpts on the website. They will not be brought into the spotlight when the images are shown alone in exhibition settings.
The book "Behaviour Patterns" contains the complete texts and is available in the shop.