Bergen
In den neunziger Jahren konnten Rektoren an norwegischen Kunsthochschulen maximal für zwei mal drei Jahre ins Amt gewählt werden. Nach sechs Jahren bekommt Klaus Jung eine Anfrage von der Kunstakademie in Bergen, ob er dort -zunächst vertretungsweise- die Verantwortung für die Studierenden im ersten Jahr übernehmen könne. Ein neuer Umzug und ein neues Atelier wird in einem Raum der Kunstakademie eingerichtet. Der Zugang zu Computern mit entsprechender Software wird weiter erleichtert, bzw durch die Arbeit an einer Kunsthochschule erst ermöglicht und gefördert. Unter anderem auch deswegen hat sich die künstlerische Aufmerksamkeit mehr und mehr dem fotografischen Bild zugewandt.
Die Neustrukturierung des Bildungssystems in Norwegen bringt es mit sich, dass auch die kleinen Kunsthochschulen möglichst größeren Einheiten angeschlossen werden sollen. Die Kunstakademie in Trondheim wird Teil der Fakultät für Architektur an der Universität (NTNU). In Oslo und in Bergen werden zwei neue staatliche Kunsthochschulen aus den bis dahin unabhängigen Schulen gebildet. In Bergen sind das die Kunstakademie und eine Hochschule für Design und Kunsthandwerk. Klaus Jung wird gebeten, diesen Zusammenschluss als Rektor zu begleiten. Das Leiten einer Kunsthochschule versteht Klaus Jung als eine künstlerische Aufgabe. Darüber hinaus legt er wert darauf, größere Netzwerke aufzubauen um ein internationales Aktionsfeld für die Kunsthochschule bespielen zu können. Parallel zur Leitung der Hochschule in Bergen hat er sich um den Aufbau eines Netzwerks der Kunsthochschulen in Skandinavien bemüht. In diese Zeit fällt auch der Beginn des Engagements für die European League of Institutes of the Arts.
Bergen
At the end of the second term in Trondheim (after a total of five years), the art school in Bergen asked Klaus Jung if he could take responsibility for students in their first year. As a result of changes in the Norwegian system of higher education, two new art school units were generated in Oslo and in Bergen, merging formerly independent schools for fine art and design. Bergen asked Klaus Jung to stand for election as rector. This again led to two terms in the role. From 1995 to 2002, a studio was maintained within the buildings of Kunsthøgskolen i Bergen. This provided access to computers and software, and artistic interests moved further towards photographic images. A restructuring of the landscape of higher education in Norway leads to the demand to rearrange small art schools in larger entities. Trondheim joins the architecture faculty at the university (NTNU). In Oslo and Bergen two new institutions are founded bringing the art schools and the design schools together to the new Kunsthøgskolen in Oslo and the new Kunsthøgskolen in Bergen. Klaus Jung is asked to accompany the merger as rector. He understands leading and managing an art school as related to making art. In addition he promotes the establishment of networks among schools to open an international field of action. Parallel to the work as rector of Kunsthøgskolen i Bergen Klaus Jung supports the building of a network between Scandinavian art schools. Later he starts engaging for the European League of Institutes of the Arts.
Übungsbögen
Großformatige Drucker sind in den neunziger Jahren für Künstler und Kunsthochschulen noch nicht erschwinglich. Um trotzdem große Bilder und Arrangements von Bildern zu ermöglichen werden die digitale Dateien in DIN A4 Formate aufgeteilt und einzeln auf Papier mit Tintenstrahldruckern gedruckt und wieder zusammengesetzt. Ab 1996 verschwinden die Stahlrahmen, die eine Reminiszenz an das dreidimensionale Arbeiten sind. Sie werden zunächst durch „fakes“ ersetzt. Durch das Drehen und Nebeneinandersetzen von Bildern entsteht neuer Inhalt. Er bleibt zwar in jedem einzelnen Foto verankert, erzählt aber auch ungewollt Neues, wenn Fotos, die an voneinander unabhängigen Orten entstanden sind, nebeneinander gestellt werden. Die Zusammensetzung erscheint willkürlich, folgt aber ästhetischen Entscheidungen. Einzelbilder werden gedreht oder wiederholt und das Ganze wird etwas aus dem Format geschoben. Teilweise werden zum ersten Mal reine Farbflächen eingesetzt. Schließlich ist die Arbeit „nur“ ein Bild, nicht das Foto von einem Ereignis, einem Ort, einer Person oder einem Gegenstand.
Exercises
In the 1990s, large-format printers are still beyond the budgets of art schools and artists. Klaus Jung continues to digitally divide large-format pictures into smaller formats, producing ink-jet prints and applying them to large-format surfaces. The steel frames, a Reminiscences to three-dimensional work, disappear in 1996. They are replaced with fake frames which form part of the image. New content is created by rotating and repeating individual images. A link to the depicted landscape or object remains active, but new and unplanned content occurs when images are juxtaposed with each other. Combinations appear to be arbitrary but they follow aesthetic rules of composition. For the first time, fields of plain colour are introduced. After all, the work is a picture rather that the representation of an event, place, person or object.
Störungsmeldungen
Im nächsten Schritt werden wieder Zeichnungen über das Ensemble aus Bildern gelegt, um noch mehr vom Inhalt abzulenken. Neben Zeichnungen werden auch Scans von Objekten, Substanzen und Farbklecksen eingesetzt.
Malfunctions
Working with more overlaid drawings further distances photographs from their content. Scans from objects, substances and dots of colour are also used.
Wände
Die Methode, große Bild-Arrangements in A4 Formate zerlegt auf einem kleinen Tintenstrahldrucker zu drucken, ermöglicht auch große, wandfüllende Formate zu realisieren. Die Einzelblätter werden mit Tapetenkleister direkt auf die Wand geklebt. Solche Arbeiten sind 1997 entstanden.
Walls
Budgets do not allow access to large format prints. However, the method to divide large formats into small prints allows to produce large murals. The individual sheets are applied to the wall with wallpaper glue. (1997)
Chlorbilder
In dieser Serie werden die Einzelblätter auf Trägerplatten von ca 150 cm mal 200 cm zu einem Ganzen geklebt. Die „Störung“ des Bildes erfolgt durch Chlor, das grob über die Drucke gestrichen wird. Die Chemikalie löst die Druckertinte teilweise wieder auf. Um den Bleichungsprozess zu stoppen werden die Bilder mit einer Schicht Bootslack überzogen. (1997)
Chloride Pictures
For this series, ink-jet prints are mounted on supporting sheets at a size of 200 cm x 150 cm. The disruption of images is effected through chlorine being roughly brushed over the prints, with the chemical diluting the printing ink in parts. To halt the bleaching process, the pictures are covered with varnish.
Bibliothek
Die Suche nach dem Punkt, an dem die Bedeutung des Inhalts von fotografischen Bildern so weit in den Hintergrund geschoben ist, das sie nicht mehr dominiert, aber immer noch genug durchschimmert, um nicht völlig zu verschwinden, wird fort gesetzt. Das Flimmern zwischen Bedeutend und Unbedeutend soll helfen, trotz der endlosen Bilderflut, der wir ausgesetzt sind, Bildern wieder trauen zu können. Für „Bibliothek“ werden Bilder funktionalisiert. Sie dienen als Buchstützen und Regale werden zu Rahmen. (1997)
Library
The search continues for the point at which the content of a photograph no longer dominates but still shines through. Despite the overwhelming flow of images to which we are exposed, a flickering between significance and triviality is intended to help regain trust in images. In Library, images are inserted into bookshelves, blending pictures together with the books and the shelves. (1997)
Schautafeln
Die drei Schautafeln von 1998 erinnern an die Wandcollagen mit eingeschnittenen Zeichnungen aus den achtziger Jahren. Nun ist der Einschnitt rein digital und zeigt Diagramme, die Klaus Jung in Vorträgen benutzt hat, um seine Gedanken zum Lehren, zu Kunsthochschulen und zum Zusammenhang zwischen Kunst, Leben, Verstehen und Lernen zu erläutern. Die quadratischen Schautafeln haben eine Kantenlänge von zwei Metern, wenn sie als Druck realisiert werden.
Diagrams
Three works entitled diagrams from 1998 are reminiscent of early collage murals with drawings cut into them. This time, the incision are made digitally and include diagrams used by Klaus Jung in presentations to illustrate his thoughts on teaching, art schools and the relationship between art, life, apprehension and learning. When they are produced as prints, diagrams are 2 m square.
Album 98
1998 experimentiert Klaus Jung damit, digitale Bilder gar nicht mehr durch Ausdrucke zu realisieren, sondern sucht nach Formen, wie sie direkt auf dem Bildschirm gezeigt werden können. Der Bildschirm erlaubt, die Bilder zu bewegen und zu animieren. In vorher festgelegten Rahmen werden sie digital langsam durch das Format gezogen, bis sie ihren Platz erreichen. Animation bedeutet, dass nicht mehr der Betrachter selbst bestimmen kann, wie viel Zeit er oder sie einem Bild schenken will. Der Künstler bestimmt, wie lange ein Bild angeschaut wird. Das Verstreichen von Zeit erzeugt Rhythmus, der das Verlangen nach Ton oder Klang auslöst. Im Album 98 werden kurze ausgesuchte Musikstücke aus der eigenen Sammlung von alternativer Popmusik zum Einsatz gebracht. Wie in einem Album, dass Musikstücke konzeptionell passend für die Vorder- und Rückseite einer Vinyl LP zusammenhält, haben Album 98 und Album 99 jeweils zwölf Stücke (tracks), die man sowohl einzeln als auch im Ganzen betrachten und hören kann. Es werden Pläne entwickelt, Album 98 in einer eigens dafür gebauten „Bibliothek“ auf Bildschirmen zu zeigen. Die ursprüngliche animierte Version ist nicht mehr vorhanden, da die entsprechende Software nicht mehr zugänglich ist. Unter dem weiterführenden link wird das Arrangement als Stills gezeigt.
Album 98
In 1998, Klaus Jung considers work that does not depend on printing prints at all anymore. He looks for a method to present them directly as work for a screen. The screen allows him to move and animate images. Within a predefined frame, images are „pulled“ through the screen until they fall into place. With animation, it is no longer the viewer who decides how much time she or he wants to spend with one image. The artist determines the time. The passing of time creates rhythm which triggers a desire for sound. For Album 98, short samples from the artist’s collection of alternative pop music are employed. Just as a concept album brings pieces of music together to fill both sides of a vinyl record, Album 98 and Album 99 each contain 12 tracks which can be watched as single track or as a whole. Plans are developed to present Album 98 in a specially constructed „library“ on multiple screens. The original animated version no longer exists, as there is no access to the appropriate software, but it is reconstructed here as an arrangement of still images.
Album 99
Der Einsatz von Musik stösst nicht nur auf urheberrechtliche Probleme, er ist auch zu einfach und zu aufdringlich. Der Rhythmus der Musik bestimmt die Stimmung der Bilder. Das widerspricht dem Wunsch, nach der feinen Grenze zwischen Bedeutung und Nicht-Bedeutung zu suchen. Daher werden für das Album 99 auch Klänge gesammelt, aufgenommen an öffentlichen Plätzen, ganz ähnlich wie die Fotografien. Es kommen auch kurze Video Sequenzen zum Einsatz. Die Animationen sind in ihrer ursprünglichen Form verloren. Die software Entwicklung erlaubt nicht mehr, die digitalen Formate von 1999 zu öffnen. Die Lagerung auf CD’s haben einige Dateien nicht überlebt. Gezeigt werden hier stehende Bilder, die den einzelnen Animationsschritten nachempfunden sind. Zum Album 99 ist auch ein kleines Buch erschienen, das neben Stills und Bildmaterialien auch Textausschnitte enthält, die auf Reisen geschrieben wurden.
Album 99
The use of music not only meets copyright restrictions; it is also too simple and manipulative. The rhythm of the music determines the mood of the images, which opposes the artist’s intention to search for the fine line between significance and triviality. To avoid this, sounds are sampled and collected at the same locations as the photographs are taken. In addition to this, short video clips are inserted. The animation loses its original form. Software updates no longer allow files from 1999 to be opened, and some files have not survived storage on CD. Instead, still images are provided here, giving an idea of the individual steps of the original animation. A small book to accompany the album was published by Kunsthøgskolen i Bergen. It contains stills, further image material and excerpts from notes taken while travelling.
3D
Der Zugang zu Software an der Kunsthochschule in Bergen hat dazu angeregt, mit 3D Programmen zu experimentieren, die in den neunziger Jahren gegen eher hohe Kosten Designern und Architekten zur Verfügung standen. Der Lust auf Architektur als Amateur kann nachgekommen werden. Türme und Hallen werden entworfen. Einige der älteren eigenen Skulpturen werden nachempfunden und es wird über Innenräume digital nachgedacht. Bilder sind das Ergebnis, die in die Arrangements eingeflochten werden. Die Bedeutung der Mühe der Entstehung und des überzogenen monumentalen Charakters wird genauso weit zurückgenommen, wie die Bedeutung des Inhalts der Fotografien.
3D
Access to software inspires an experiment with digital 3D. To satisfy the amateur lust for architecture, halls, houses and towers are drafted. Some existing sculptures are recreated, and internal spaces are designed and played with. This leads to images which are woven into pictures together with photography.
Kunstakademien
Seit dem Ende der neunziger Jahre wird an der Kunsthochschule in Bergen über einen Neubau nachgedacht. Um eine Analyse des Bedarfs zu illustrieren, hat Klaus Jung verschiedene Modelle entworfen, wie die unterschiedlichen Raumfunktionen einer Kunsthochschule - Ateliers, Seminarräume, Ausstellungsräume, Werkstätten, Vorlesungsräume, Bibliothek, Verwaltung etc.- zusammenhängen können und sollen, damit möglichst hohe Beweglichkeit bleibt, die es auch zukünftigen Generationen erlauben wird, das beste räumliche Umfeld zu finden. Als nur teilweise nicht ernst gemeinte Konklusion hat Klaus Jung vorgeschlagen, dass an Stelle eines Neubaus vielleicht eher ein Stück Bauland und Baumaterial wichtiger wären. Studierende würden sich die für sie passenden Ateliers rund um ein Gebäude mit den zentralen Funktionen selber bauen. Am Ende einer Studienperiode würde der Rektor mit einem Bulldozer die Ateliers wieder einreißen, um Platz für neue zu machen.
Art Schools
From the end of the 1990s, a new building is planned at Kunsthøgskolen i Bergen. To visually analyse the needs of the new building, Klaus Jung develops a range of models. These explore the ways in which the different character of spaces – for studios, seminars, projects, exhibitions, workshops, libraries, administration, plenaries and socialising – could and should link, ensuring a maximum amount of flexibility, making them adaptable for future generations. A partly ironic suggestion is made that a piece of land and a quantity of building materials would be enough, enabling students to build their own spaces around a central building, in advance of the rector coming to tear down all unused buildings, to make space for the new, at the end of each year.